Politik & Wirtschaft
Die Sozialistische Republik Vietnam entstand am 2. Juli 1972, nach der Wiedervereinigung von Nord- und Südvietnam.
Die heutige, mit Änderungen seit 1992 gültige Verfassung, stellt die wirtschaftliche Entwicklung des Landes in den Vordergrund, behält die Vormachtstellung der Kommunistischen Partei jedoch bei. Formell werden allen Bürgern Grundrechte wie Rede-, Presse-, Versammlungs- und Glaubensfreiheit eingeräumt, in der Praxis kommt es jedoch bis heute zu staatlicher Zensur und Repressalien gegen kritische Stimmen aller Art. Zudem gibt es in Vietnam de facto keine unabhängige Justiz.
Nach der Wiedervereinigung war Vietnam in zwei grundverschiedene Hälften geteilt: Planwirtschaft im Norden, Marktwirtschaft im Süden. Ineffiziente Staatsbetriebe, eine kollektivierte Landwirtschaft, Handelshindernisse und Umweltschäden aus dem Vietnamkrieg führten zu großer Armut. Eine halbe Million Vietnamesen verließ das Land, viele wurden als „Boat People” in internationalen Gewässern gerettet. Die Experimente der späten 1970er Jahre mit Mischformen aus Plan- und Marktwirtschaft blieben erfolglos, es kam zu Hungersnöten und Hyperinflation.
Die anschließende Umwandlung zu einer sozialistischen Marktwirtschaft hat ein beachtliches Wachstum ausgelöst. So hat beispielsweise das Angebot an Industrieparks Anfang der 1990er Jahre, mit dem ausländische investoren angeworben wurden, beachtlichen Erfolg gehabt, ebenso wie die zweite Gründungswelle nach 2006. Doch die bestehenden strukturellen Probleme der alten Planwirtschaft und des neuen Turbokapitalismus blieben ungelöst. Zwar stuft die Weltbank Vietnam seit 2011 als Schwellenland ein, zwischendurch war sogar die Rede von einem weiteren „Tigerstaat”, der mit starkem wirtschaftlichen Wachstum kurz vor dem Sprung in die Moderne ist, doch Wirtschaftswachstum und soziale Entwicklung klaffen immer weiter auseinander. Neben den Wachstumstreibern Ho Chi Minh-Stadt und Hanoi fallen die ländlichen Regionen deutlich ab, der Großteil der Bauern lebt immer noch am Rande des Existenzminimums, vor allem bei den ethnischen Minderheiten.
Die vietnamesische Wirtschaft ist stark vom Export abhängig. Das Land exportiert vor allem Textilien, Meeresprodukte, Kaffee, Holzmöbel und Elektronikprodukte. Zwar leben nur etwa 25 Prozent der vietnamesischen Bevölkerung in Städten, dieser Anteil trägt jedoch rund 70 Prozent zum BIP bei. Und obwohl der Agrarsektor an gesamtwirtschaftlicher Bedeutung abnimmt, sind dort 55 Prozent der Beschäftigten zu finden. Reichte die Reisproduktion noch bis Ende der 1980er Jahre nicht aus, um die eigene Bevölkerung zu ernähren, so ist Vietnam heute einer der größten Reisexporteure weltweit. Mit dem WTO-Beitritt Vietnams im Jahr 2007 setzte zudem ein Trend zur Diversifizierung der landwirtschaftlichen Produktion ein, um auch den Export auf mehrere Standbeine zu verteilen. Hier ist insbesondere die Produktion von vietnamesischem Kaffee eine unglaubliche Erfolgsgeschichte: In nur drei Jahrzehnten ist das Land zum weltweit zweitgrößten Exporteur aufgestiegen.
Heute erwirtschaftet das Land ein Drittel des Bruttoinlandsproduktes mit Bergbau und Industrie, Landwirtschaft und Fischerei sind zurückgegangen und liegen in etwa mit dem Handel, Hotel- und Gaststättengewerbe gleichauf, Tendenz steigend. Der Tourismus ist inzwischen mit knapp 5 Prozent ein bedeutender Faktor geworden. Die Armutsrate ging laut Weltbank von 58 Prozent im Jahr 1993 auf 13,5 Prozent im Jahr 2014 zurück. Bestimmte Regionen wie das Zentrale Hochland sind allerdings immer noch überdurchschnittlich arm. Insgesamt stieg im Zeitraum von 2007 bis 2017 das BIP von rund 77,5 auf knapp 216 Mrd. Dollar. Seit 2009 ist Vietnam ein „Middle Income Country“, 2016 betrug das Bruttoinlandsprodukt 2.215 US-Dollar pro Kopf. Verwaltungsreformen und der Kampf gegen Korruption sollen diese Entwicklung stabilisieren.